Knackig, cremig, knusprig

Das 79° gehört zu den Neuzugängen im Viertel und gehört doch zu den besten Adressen für Feinschmecker. Quasi im Alleingang zaubert Chefkoch Philipp Grimm hier auf kleinstem Raum kulinarische Raffinessen.

Der erste Teller, den Philipp Grimm serviert, ist ein kunstvolles Arrangement aus Rinder­tartar mit Frankfurter Kräutern, Pilzen, Radieschen, Pumpernickelerde mit Essig und Öl, Gurkenscheibchen und einer Kräuter­creme. Eine Vorspeise von der Herbstkarte des 79°, die genauso gut schmeckt, wie es sich liest.

Seine Ausbildung hat der 38-Jährige im Wuppertaler Edelrestaurant Scarpati absolviert. Mit dem eigenen Restaurant hat er sich einen Traum erfüllt. Das ist jetzt zwei Jahre her. Inzwischen ist er im Viertel angekommen und seine raffinierten Gerichte ergänzen die Gastronomie im Luisenviertel perfekt. Er selbst sieht sein Angebot in der Nachfolge der in Frankreich entstandenen Bistronomie-Bewegung: „In den Beneluxländern und in größeren Städten ist dieses Konzept von Bistros mit gehobener Küche seit Jahren fester Bestandteil. Hier gibt es das noch nicht so oft“, so Grimm. Den Namen für sein Restaurant hat er übrigens in Anlehnung an seine bevorzugte Garmethode für Fleischgerichte gewählt. „Wir arbeiten oft mit der Niedriggarmethode, zum Beispiel Schmor­fleisch, das bleibt dann etwa 12 bis 18 Stunden im Ofen“, so Grimm. Darüber hinaus ist die Zahl 79 aber auch ein Hinweis auf seinen persönlichen Jahrgang.

Apropos Jahrgang. Auf der Weinkarte finden sich ausschließlich Deutsche und Österreichische Weine. Aus gutem Grund, wie Philipp Grimm erklärt: „Wenn man sich selbst etwas einschränkt, macht es die Weinauswahl spannender. Es gibt dann auch öfter mal ausgefallene Sachen.“ Uns serviert er einen 2016er Blanc de Pinot Noir aus dem Hause Fußer.

Eismeer-Saibling mit Linsen

Im Innenraum des 79° finden etwa 26 Gäste Platz, genau wie im kleinen verwunschenen Innenhof. Allerdings werden nicht beide Räume gleichzeitig genutzt. Wenn es warm genug ist, genießt man sein Essen draußen, ansonsten nimmt man drinnen Platz. „Beides können wir mit unserer kleinen Küche nicht bedienen, das wäre einfach zu viel. Es soll ja niemand ewig lange auf sein Essen warten“, so Grimm.

Als Zweites bekommen wir einen isländischen Eismeer-Saibling mit Linsensalat, einer Meer­rettich-Senf-Creme und Wurzelgemüse-Vinaigrette, dekoriert mit hauchdünnen Brot-Chips. Diese Kombination schmeckt nicht nur ausgesprochen gut, sondern macht auch im Mund Spaß. Auch wenn sich Philipp Grimm keinem bestimmten Kochstil verpflichtet fühlt, verfolgt er mit seinen Gerichten doch eine bestimmte Idee: „Es muss immer etwas Knuspriges, etwas Cremiges und etwas Knackiges dabei sein. Ich versuche, verschiedene Mundgefühle zu kombinieren, damit es nicht langweilig wird“, sagt er. Und die Experimentierfreude hört nicht beim Teller auf. Ungefähr einmal im Monat gibt es eine neue Karte. Abgestimmt auf die Saison – aber auch auf die individuellen Vorlieben des Küchenchefs. Beim Kochen gehe es schließlich auch um Leidenschaft, so Grimm, wenn es keinen Spaß mehr mache, wenn man nicht experimentieren kann, solle man es lieber sein lassen. Auch wenn manche Stammgäste ihr Lieblingsgericht natürlich gerne öfter auf der Karte sähen. Bei all den kulinarischen Weisheiten ist Philipp Grimm eines allerdings besonders wichtig: Er will bewusst ein jüngeres Publikum ansprechen – hochwertige Küche, aber in lockerem Ambiente.

Besonders gerne kocht der Familienvater für seine Frau Sophia und seine Kinder. Da gibt es den Grünkohl dann allerdings aus dem Topf und nicht als Creme: „Mein Sohn isst auch die abgefahrenen Sachen, die Kinder in seinem Alter sonst eher nicht mögen. Das freut mich dann schon.“ Von den Gästen wünscht er sich diese Offenheit natürlich auch: „Man muss bereit sein, sich überraschen zu lassen.“