Der höchste Punkt

Der israelische Countertenor Yaniv d’Or und das Ensemble NAYA präsentieren am 18. Oktober ihr Projekt „Exaltation“ in der Stadthalle. Es ist das dritte Album einer Trilogie, die sich mit Religion, Identität und Spiritualität beschäftigt. Yaniv d’Or und Ensemblemitglied Marvin Dillmann (Didgeridoo) im Kurzinterview.

Wie lässt sich die Musik auf dem neuen Album beschreiben?
Yaniv d’Or: Es ist eine Mischung aus verschiedenen Sprachen, Einflüssen und gemeinsamer Liebe zur Musik. Genau wie meine eklektische Persönlichkeit habe ich die Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf einem Teller zusammengetragen und mit viel Sorgfalt zu einer Geschichte verbunden. Eine Nachricht. Eine Idee. Phantasie. Wunschdenken.

Marvin Dillmann: Es ist eine sehr spirituelle und emotionale Musik mit einer unglaublichen Bandbreite. Das ganze Album ist nach den drei großen abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam aufgebaut, die friedlich und harmonisch ineinanderfließen. Ich sehe es als unseren musikalischen Beitrag, um Brücken zu schlagen. Aber man muss natürlich nicht religiös sein, um das Album zu genießen.

Was bedeutet „Exaltation“? Und wie unterscheidet sich das Album von den beiden vorangegangenen Projekten?
Marvin Dillmann: „Exaltation“ bedeutet so viel wie Extase, also das Erreichen eines höheren Bewusstseinszustands.

Yaniv d’Or: Ich denke, „Exaltation“ spiegelt auch meinen Lebensweg als Musiker und als Mensch wider. In gewisser Weise eine erwachsenere Version von mir selbst. Das Album „Liquefacta est“ war ein Experiment, „Latino Ladino“ war eine Exposition meines kulturellen Erbes und „Exaltation“ ist ein Abschluss der beiden. Man kann sagen, dass ich „Exaltation“ für den höchsten Punkt meiner Karriere halte. Künstlerisch ist es das Ergebnis vieler Gedanken und Gefühle, die man nicht in Worte fassen kann, ohne naiv zu klingen.

Welche Bedeutung hat die Ladino-Kultur für Sie?
Yaniv d’Or: Ladino ist die Sprache meiner Vorfahren, ein Stempel meines kulturellen Erbes, das ich als Perle der Schönheit und Poesie entdeckt habe. Das Album wurde in einer Friedhofskirche in der Nähe von Namur, Belgien, aufgenommen.

Was waren die Highlights der Session?
Yaniv d’Or: Ich denke, die Tatsache, dass sich ein Haufen außergewöhnlicher Musiker mit verschiedenen traditionellen und kulturellen Wurzeln in einer kleinen Kirche mitten im Nirgendwo versammelt, um etwas zu schaffen, das stärker ist als wir zusammen. Jeder mit seiner ganz eigenen Perspektive. Es ist eine wahre Freude, mit dem Ensemble NAYA zu musizieren.

Marvin Dillmann: Die Location wurde ja von Manuel Mohino ausgesucht, der ein unglaubliches Equipment mitgebracht hat. Wir haben alle Songs live und unplugged eingespielt. Ich erinnere mich daran, dass wir immer Pausen einlegen mussten, wenn die Heizung lief, es war ja mitten im Winter. Und bei einem Stück ist sogar eine Kirchenglocke im Hintergrund mit drauf. Eine Toilette gab es übrigens auch nicht. (lacht)

Wie politisch ist das Album?
Yaniv d’Or: Es ist ziemlich politisch. Politik ist (oder war) eine Kunstform. Sie ist ein Dialog und „Exaltation“ auch. In einer Welt mit so großen Unterschieden und Meinungsverschiedenheiten zu leben, schafft starke Dissonanzen. Und genau wie in der Musik, wo eine Dissonanz ein Punkt einer Lösung ist, hat die Politik die gleiche Tendenz. Manchmal wünsche ich mir einfach, dass die Leute mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede feiern könnten. Es würde die Dinge so viel einfacher machen.

Wie geht es nach der Premiere weiter?
Marvin Dillmann: Am 27. Oktober spielen wir erst mal in der Wigmore Hall in London.

Yaniv d’Or: Die Welt bereisen, die Botschaft verbreiten, Menschen zusammenbringen und Glauben, Religion, Ethnizität, Sexualität etc. feiern. Die Pläne sind groß. Jetzt brauchen wir nur noch die Aufmerksamkeit der Leute.