Getanzte Briefe

Der Verein Tanzrauschen will die Grenzen zwischen Tanz, Performance, Film und Musik verwischen. Tanzbegeisterte Wuppertalerinnen und Wupper­taler helfen dabei.

In Schwarz gekleidete Tänzerinnen und Tänzer bewegen sich durch die leeren Räume des Haus Fahrenkamp am Wall. Winden sich um die mächtigen Säulen. Sie posieren im Gegenlicht vor den prägnanten abgerundeten Scheiben, mal einzeln, mal als Gruppe. Wie Schatten der Vergangenheit, die die tote Etage des ehemaligen Kaufhaus’ Michel wiederbeleben. Zeitzeugen erzählen aus dem Off von ihren Erinnerungen an diese Zeit. Es handelt sich um Szenen aus dem vierminütigen Pilotfilm „Letters from Wuppertal – Kaufhaus Michel“, der im Januar 2015 aufgenommen wurde. Insgesamt 27 Wuppertalerinnen und Wuppertaler hatten sich an den Dreharbeiten unter der Leitung der britischen Choreografin Jo Parkes und dem Kameramann Sven 0. Hill beteiligt. „Letters from Wuppertal“ gehört zu Parkes’ Filmreihe „Postcards from …“, in der sich verschiedene Städte mit 60-Sekunden-Videos tänzerisch in Szene setzen. Für Wuppertal sollen insgesamt fünf Filme von rund fünf Minuten entstehen – daher die Namensänderung von Postcards zu Letters. Die „getanzten Briefe“ aus der Schwebebahnstadt sollen 2017 fertiggestellt werden und anschließend auf internationalen Tanz- und Kurzfilmfestivals sowie in ausgesuchten Kinos gezeigt. Die Premiere wird in Wuppertal stattfinden.

Unter dem Label „Mobile Dance“ realisiert die Choreographin und Filmemacherin Jo Parkes seit mehreren Jahren Projekte im Zusammenspiel von Choreografie und Film. Im Zuge ihrer „Documentary Dances“ genannten Tanzfilm-Produktionen arrangiert sie auf der Basis von Erzählungen ihrer Protagonisten Körper, Bilder, Räume und Klänge zu audiovisuellen Kunstwerken. Sie ist Teil einer neuen Bewegung, die sich der simplen Bezeichnung „Dance on Screen“ bedient. Ein Überbegriff, der die Bereiche Mainstream-Cinema, TV-Broadcasting, Tanz, Performance, Club- und Musikszene, Film/Web-Animation, YouTube und experimentelle Subkultur vereinen will.

Zwischen Hoch- und Popkultur

Was macht den Reiz dieser künstlerischen Vereinigung aus? „Dance On Screen ist höchst innovativ und experimentierfreudig. Ein ästhetischer Ausdruck unserer beschleu­nigten und digital vernetzten Zeit“, so beschreibt es Dr. Marc Wagenbach. Er war von 2009 bis 2013 wissenschaftlicher Leiter der Pina Bausch Foundation und promovierte im Bereich Medienwissenschaft und Ästhetik an der Universität zu Köln. Außerdem moderierte er Anfang des Jahres diverse Workshops auf dem Tanzrauschen-Festival. Für Wagenbach handelt es sich bei „Dance on Screen“ ganz klar um eine eigenständige Kunstform. Eine, die Hoch- und Popkultur verbindet. Und eine, die gelernte Kategorien in Tanz und Film infrage stellt, die Grenzen verschwimmen lässt. Gerade die neuen technologischen Möglichkeiten hätten die Formen der Zusammenarbeit in den vergan­genen Jahren stark beeinflusst, so Wagenbach. Durch soziale Medien wie YouTube, Vimeo oder Facebook seien heute Kooperationen möglich, die früher nur mit hohem finanziellen Aufwand entstanden wären. „Und dies gerade auch in Ländern, die oftmals nicht große finanzielle Möglichkeiten haben. Ein Form der Teilhabe und Öffentlich­keit, die ich sehr wichtig finde“, so Wagenbach.

Ideale Bedingungen

Tanzrauschen ist im Januar 2013 als Plattform und Netzwerk für alle Bereiche der Tanzfilm-Bewegung wie Tanzvideo, Tanz, Performance oder Körperkunst angetreten. Inzwischen konnte das Team um Initiatorin Kerstin Hamburg und den künstlerischen Leiter Sigurd-Christian Evers sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene zahlreiche neue Partnerschaften etablieren. Gerade eine Stadt, die unter anderem eng mit dem großen Namen Pina Bausch verknüpft ist, scheint für ein derartiges Projekt der ideale Standort zu sein. Marc Wagenbach: „Wuppertal versteht sich als Tanzstadt. Für mich ist Wuppertal auch eine Stadt des Umbruchs, eine Stadt in Bewegung. In der vieles passiert. In der Freien Szene, in Bereichen des bürgerlichen Enga­gements. In Grenzräumen.“ Diese Idealbedingungen will man beim Verein Tanzrauschen nutzen.

Finanzierung

Tanzrauschen e. V. ist für die Durchführung des Projekts
„Letters from Wuppertal“ auf Unterstützung angewiesen.
Auf dem Spendenportal
www.gut-fuer-wuppertal.de
eingegangene Spenden erreichen den Verein zu 100 Prozent.
Oberbürgermeister Andreas Mucke hat die Schirmherrschaft übernommen.

Tanzrauschen e. V.
Kerstin Hamburg
Sophienstraße 12
42103 Wuppertal
info@tanzrauschen.de
www.tanzrauschen.de
www.facebook.com/tanzrauschenwuppertal